Schnuckenmoment

Zwischen Heide und Moor

Einen Augenblick

Mir stockt der Atem, schnürt sich zu einem dicken Knoten in meiner Brust, presst dagegen und für einen Augenblick bekomme ich kaum Luft. Es ist nur ein Moment, mal nur einen Wimpernschlag lang, mal eine Dauer von mehreren versuchten Atemzügen, in denen ich den inneren Schmerz spüre, ausgelöst von scheinbar nichts und manchmal von allem.
In diesem Augenblick ringe ich mit mir, meinem inneren Selbst. Ich ringe nach Luft, nach Verstand, nach dem Licht.
In diesem Augenblick überkommt mich die Dunkelheit mit einer ungeahnten Macht und in diesem Augenblick verspüre ich so viel Leid, so viel Kummer, so viel Erschöpfung, Hass und Wut auf mich selbst.
Ich ringe mit mir, mit dem Leben und für diesen Moment ist die Sehnsucht nach dem Ende des Moments fast schon dem Wunsch eines endgültigen Endens gleich. Ich kämpfe dagegen an, versuche mein inneres Ich zu befreien und verkette mich gleichzeitig, lasse mich runter ziehen.

Es ist wie der Fischer, der ins Meer gefallen ist und nun versucht in sein Boot zu kommen, doch Strömung, Meeresungeheuer oder gar Algen halten ihn davon ab, ziehen ihn zurück in die Dunkelheit des Ozeans, während er stumm unter Wasser schreit, den Mund geöffnet und all seine Luft entweichen sieht, in Millionen kleine Luftblasen dem Licht entgegen steigend, während er versinkt.
Der stumme, ungehörte Schrei um Hilfe, nach Liebe, nach Sehnsucht, nach Akzeptanz, nach Verständnis, nach Hoffnung. Danach sich fallen lassen zu können, nicht stark sein zu müssen, nicht die Stütze sein zu müssen, sondern einfach nur… schwach, verletzlich und traurig.
Der Knoten tief in der Brust wächst immer weiter, wird größer und kann sich nicht lösen. Das Hirn will atmen, will Sauerstoff, doch die Kraft dazu beginnt zu versagen. Ich will schreien, will rufen, betteln im Geiste um die rettende, schützende Hand, die starke Schulter, ein Lächeln, das sagt, dass das Leben wieder besser wird, dass es wieder gut wird, während die innere Verzweiflung immer höher wird.

Dann ist da Stille.
Absolute, allumfassende Stille, ehe sich die Lungen mit Sauerstoff fühlen, der Knoten verschwunden ist, die Last auf der Brust geringer wird.
Stille.
Ich kann die Augen wieder öffnen, sehe klar und weiß, dass ich überlebt habe. Der Augenblick ist vorüber, mein Leben geht weiter, die Dunkelheit ist eingesperrt und ich kann wieder lächeln, kann wieder fröhlich sein.

Es sind immer wieder Schübe, die über mich kommen.
Schübe, die die Augenblicke so schmerzhaft machen, so hart und doch wertvoll. Augenblicke, in denen man selber denkt, das Leben geht nicht mehr weiter.
Ich sehe mich jedes Mal fallen, fühle mich dem Schmerz so nahe und erwache oft mit Tränen, ehe der Geist langsam klarer wird, der Verstand weder anfängt in normalen Schienen zu laufen und mir deutlich macht…
Ich lebe… einen Augenblick lang. Wieder völlig normal und angepasst.

Ich wische mir die Tränen weg, konzentriere mich wieder auf mein Tun und beginne die Welt um mich herum wieder mit anderen Augen zu sehen. Mit klaren Augen. Ich werde geliebt und geschätzt. Ich bin stark.
Und doch überkommt mich der Schmerz immer wieder, immer wenn ich denke, dass ich doch mehr sein muss als Tochter, Schwester, Mutter… Freundin. Immer dann, wenn ich denke, dass ich unzureichend bin, nicht dem Anspruch genüge. Wessen Anspruch? Meinem Anspruch,

Einen Augenblick lang will ich wieder daran glauben. An die Liebe zu sich selbst, die Selbstakzeptanz, die eigene Aufrichtigkeit, wenn man sich im Spiegel betrachtet.
Bis ich wieder das Gefühl bekomme, genau jenes zu verlieren… nicht zu verdienen… unliebbar zu sein .
Unfähig, fest zu halten, zu lieben, zu begehre, aufrecht zu erhalten, was so kostbar ist, darum zu kämpfen oder gar daran zu glauben.

Einen Augenblick… nur wieder all das zu fühlen…

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