Schnuckenmoment

Zwischen Heide und Moor

Ein Hörnchen fällt vom Himmel

Wie ich schon erzählte, hatte vor fünf Jahren ein Sturm das Tal heim gesucht. Die Nacht war wild gewesen. Blitze hatten vom Himmel gezuckt, der Donner gegrollt und der Wind war durch die Bäume gepfiffen.

Am nächsten Morgen fanden die Aufräumarbeiten statt. Äste und Blätter wurden von den großen Tieren auf geharkt, während die kleinen Tiere sich um die leichteren Sachen kümmerten. Mimi Bär wollte gerade unter der großen Eiche Emer die heruntergestürzte  Spitze entfernen, als es darin raschelte. Erschrocken sprang die Bärendame zurück und beäugte sehr kritisch die abgebrochene Eichenspitze und entdeckte dunkelbraune Federspitzen, die unter dem grünen Laub hervor lugten. Schnell rief sie die anderen Tiere zu sich und alle versammelten sich neugierig um den Fund. Selbst die Bäume raschelten vor Aufregung und versuchten zu sehen, was sich da in dem Laub verfangen hatte.

Horan, der älteste Hirsch des ganzen Tales nährte sich bedächtig und ließ die anderen zur Seite treten, während die Brüder Taban und Tabin, zwei Dachse, sich daran machten, die Baumspitze vorsichtig zu entfernen. Alle versammelten Tiere hielten die Luft an, nur um anschließend diese mit einem überraschten „Oooooohhhhh“, als sie sahen, was dort lag.

Auf den ersten Blick war es ein Eichhörnchen. Es hatte rotbraunes Fell und kleine Püschel an den Ohren. Sein Schwanz war buschig und lang und als Decke genutzt. Aber etwas war merkwürdig an diesem kleinen Wesen. Denn es hatte… Flügel.

Braunrote Flügel waren vom Rücken gewachsen, deren spitzen in einem dunklen Braun übergingen. „Ein Eichhörnchen…“ – „Nein, ein Flügelhörnchen…“

„Ein Eichhörnchen mit Flügeln“, beschloss Horan für die anderen Tiere und betrachtet das kleine sonderbare Wunderwerk, ehe er den Kopf senkte und es vorsichtig mit der Nase anstieß. Ein Seufzen ging durch den Hörnchenkörper und er wackelte mit seinem Geweih „Ein lebendes Eichhörnchen mit Flügeln. Wo kommt es nur her?“

„Es wacht auf, Meister Horan.“ Menson, der Bär schob sich vor und sein Blick war sehr kritisch. „Und es scheint eine Sie zu sein…“ Sein Kopf neigte sich zur Seite, während er sich mit einer Tatze zwischen den Ohren kratzte.

Die Tiere des Wimpidel-Waldes wandten sich wieder zu dem Neuankömmling und sahen neugierig zu, wie es sich im Schlaf reckte, wie es die Beinchen und Ärmchen streckte und leise mit seinen Lippen schmatzte. Dann zuckte erst das linke Püschelchen am Ohr, dann das rechte Püschelchen und langsam öffnete es die Augen. Scheu sah es sich um, betrachtete all die neugierigen Tiergesichter und richtete sich im nächsten Augenblick erschrocken auf „Uhoh, wo bin ich?“

„Im Wimpidel-Wald bist Du und hast unsere Emer kaputt gemacht. Sie war der größte Baum hier und jetzt? Jetzt haste sie kleiner gemacht.“ Menson betrachtete das komische Tier und befand, dass es gar nicht so aussehen durfte. Sein komisches Aussehen versprach zumindest Ärger und dementsprechend war Bär bereits jetzt schlecht gelaunt.

„Wen hab ich bitte kaputt gemacht?“ Das Eichhörnchen sah überrascht zu dem Bären auf, ehe es zum Baum sah. „Oh, das tut mir leid. Der Sturm hat mich überrascht und dann… war da auch schon der Baum. Arme Emer. Bitte verzeih.“

„Wer bist Du denn?“ Hopper, das kleine Kaninchen hatte sich neugierig nach vorne gedrängt und sah das Hörnchen neugierig an.

„Ich? Ich bin Minga.“

Menson seufzte. Na toll, eine Minga und nun schüttelte sie auch noch ihre Flügel. Dabei bekam der Bär eine Feder ab und war sofort schollig.

Horan sah sehr nachdenklich drein „Woher kommst Du, Minga und was wolltest Du über unserem Wald?“ Das Eichhörnchen mit den Flügeln wackelte kurz mit den Ohren. „Ich wollte gar nichts über euren Wald. Ich weiß nicht mal, wie ich her gekommen bin. Ich komme aus dem Sternenwald auf dem Abendsternberg. Letzte Nacht zog ein Sturm über uns hinweg und ich wollte doch nur zu meiner Tante rüber fliegen. Und da erfasste mich eine Böe und als ich wieder zu mir kam, da… war ich hier. Ich erinnere mich noch, dass irgendwas mich auffing, als ich durch die Luft wirbelte. Das war bestimmt euer Baum, Emer.“

Die Tiere sahen bedauernd das arme Hörnchen an, schließlich war es hier vollkommen fremd. Nur der Bär brummte, aber das nahm niemand ernst, der Bär brummte immer wegen irgendwas. Er war halt ein Brummbär. Hoppers Mutter war es, die sofort das Hörnchen an die Hand nahm. „Du armes Ding. Komm Minga, Du musst ja Hunger und Durst haben und dann… zeigen wir Dir den Wald.“

Minga nickte zögernd und sah sich noch einmal um. Vorsichtig strich sie über Emers Baumrinde „Tut mir leid, Emer…“

Der Baum raschelte nur und schien gar nicht so böse darum zu sein, dass ihm die Spitze fehlte. Zusammen mit Hopper und seiner Familie machte sich Minga auf, etwas zu Essen zu bekommen. Und die anderen Tiere begannen weiter aufzuräumen. Doch Minga war, sehr zum Leidwesen von Menson, nun das Gesprächsthema Nummer 1 und man beschloss, dass man ihr helfen musste. Entweder, dass sie wieder nach Hause kam, aber dafür war sie ja doch viel zu klein, oder dass sie hier von nun an leben konnte. Und Emer, die Eiche, war nur zu gern bereit, die kleine Minga bei sich aufzunehmen. Schließlich stand die alte Eichhörnchenhöhle schon viel zu lange leer.

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