Schnuckenmoment

Zwischen Heide und Moor

Wilder Honig

Heimkehr

Gegenwart

Shaoli Newbreen hat sie als Erstes entdeckt und knipst sofort ein Foto von der jungen Frau, wie sie vor dem dunkelroten Rosenbogen steht, elegant gekleidet in einem hellen Hosenanzug, der ihre eh schon helle Haut fast weiß erscheinen lässt. Die einzige kräftige Farbe sind ihre feuerroten Haare die in wilden Locken ihr sommersprossiges Gesicht umrahmen. Sie sieht aus wie eine Prinzessin aus einer anderen Welt, wie ein Märchenwesen. Und schaut mindestens genauso hilflos und unschuldig drein.
Die Fotografin des People-Magazines lässt die Kamera sinken und verharrt. Sie hat diese Frau schon einmal fotografiert. Vor fünf Jahren. Oder sind es vier? Damals war sie Anfang zwanzig, jung, hatte eine kleine Tochter und war schwanger, sie war der Star unter den Spielerfrauen, ehe sie verschwand.
Sofort sieht sich Newbreen um, nach dem Gegenpart dieser feengleichen Schönheit und findet ihn. Er hat sie noch nicht entdeckt, trinkt gerade sein Bier und lacht mit einem Teamkollegen. Er ist gebräunt, hat fast schwarzes Haar, dunkle Augen. Zwei Gegensätze, die aber wundervoll harmonieren. Auch von ihm schießt sie schnell ein Foto und zieht sich zurück. Sie brennt darauf, wie das erste Treffen wohl ausgehen wird, zwischen dem Quarterback und Star der Titans und der Märchenwesen, der rothaarigen Fee.

Sie ist zurück.
Tief atmet sie ein, als sie durch den Rosenbogen tritt, hinein mitten in die Superbowl-Party der Titans. Lärm schlägt ihr entgegen von den Unterhaltungen, den Gesprächen. Blitzlicht blendet sie, denn die Presse darf teilnehmen und die Spieler fotografieren, Erinnerungen für die Boulevardblätter und Zeitschriften allerart machen, damit auch das ‚gemeine Volk’ etwas von der Party hat. Sie ist nervös, doch lässt sie sich nichts anmerken. Auch nicht, dass sie eigentlich gar nicht kommen wollte und doch gezwungen worden ist zu diesem Schritt. Sie hasst Beatrix dafür, doch hat diese sie in der Hand. Entweder, sie zeigte sich selber, oder aber Beatrix würde an die Presse gehen mit allen kleinen Details der vergangenen fünf Jahre, den Gründen für ihr plötzliches Verschwinden und das … hätte sie ihm niemals antun können.
Die Titans.
Sie waren ihr eine Familie, schenkten ihr so viel und sie war hier immer zu Hause gewesen. Damals. Und allen voran er. Ihr Blick gleitet über die Menschen und sofort sieht sie ihn. Sie hatte immer das Talent ihn sofort ausfindig zu machen und er sie. Sie spürten die Nähe zueinander seid sie einander das erste Mal begegneten.
Um sie herum legen sich die Gespräche, immer mehr Leute sehen zu ihr. Ein Raunen ist zu hören, ein Flüstern. Doch sie hat keinen Blick dafür, kein Ohr. Unverwandt sieht sie ihn an, sieht sein Lachen, seine Fröhlichkeit. Sie hätte nicht kommen sollen. Aus dem Augenwinkel bemerkt sie Beatrix, welche neben sie tritt, hungrig nach Sensation. Es ist allein ihre Idee gewesen, dass sie nun wieder zurück ins Rampenlicht kehrt nach all der Zeit. Dass sie ihren Platz wieder einnimmt. Was, wenn er das eigentlich gar nicht will? Er sieht so glücklich aus, ohne sie.
Ihre Hände ballen sich kurz zu Fäusten, um der Anspannung Herr zu werden. Noch hat er sie nicht bemerkt, noch kann sie fliehen. Sie ist fehl am Platz, er war bei seiner Familie und sie der Eindringling, der die Familie im Stich gelassen hatte.
Doch da wird ihm scheinbar die Stille bewusst und er wendet sich um, sah fragend drein, vor allem aufgrund der Menschen, die zwischen ihm und ihr hin und her sehen. Sein Blick richtet sich auf sie, bohrt sich in ihre Augen, während seine Augenbraue langsam höher wandert und aus dem Begreifen Überraschung wird, aus der Überraschung Wut.

Oliver und Josephine … wieder vereint an einem Ort. Und während die Menschen um sie herum nach Sensation und Aktion lechzen, werden Beide von der Vergangenheit in diesem Augenblick eingeholt.
Und Olivers erster Gedanke ist, dass seine Frau noch schöner ist, als damals, als er sie das erste Mal traf.

Die Vergangenheit: Begegnungen

Fünf Jahre zuvor

Er war zur Party seines Teamkollegen Xanders eingeladen gewesen und eigentlich wollte er nicht hin. Vor zwei Tagen hatte er sich erst von Adriana getrennt, die mit ihrer Kontrollsucht und dem Ehrgeiz, ihn ganz für sich zu besitzen, ihn fast um den Verstand gebracht hatte. Nein, er wollte wirklich nicht hin, aber trotzdem fand er sich vor der Tür wieder und klingelte. Xander war schließlich sein bester Freund, schon immer seine Rückendeckung gewesen, egal ob im Spiel oder aber im privaten Leben. Er hätte ihn beleidigt, wäre er nicht gekommen.
Xanders Frau machte ihm auf, grinste ihn an und hieß ihn willkommen. Wie immer flirteten sie miteinander, auch wenn er die kleine dunkelhaarige, blasse Frau nicht im Geringsten anfassen würde. Zum einen, weil Claire die Frau von Xander war, zum anderen, weil sie nicht sein Typ war.
Er wurde dem Klischee eines Spitzensportlers und dem Star der Titans mehr als gerecht und stand nur auf Modelverschnitte. Adriana war so ein Modelverschnitt gewesen. Groß, lange Beine, schlank und langes, glattes, blondes Haar mit braunen Augen. Wenn sie zusammen irgendwohin kamen, waren sie die Stars unter den Pärchen. Man mochte sie, denn sie waren perfekt aufeinander abgestimmt. Kein Wunder, denn Oliver selber war ebenfalls groß, hatte wohlproportionierte Muskeln und nicht ein Gramm Fett auf den Rippen. Seine dunklen Haare waren kurz gehalten, modisch geschnitten und er war stets ordentlich rasiert. Und die Frauen wurden reihenweise schwach, wenn er sie mit seinen dunkelbraunen Augen ansah und dazu sein Playboylächeln aufsetzte.
Er konnte locker Werbung für die nächste Calvin-Klein-Unterhosenkollektion machen, wenn er nicht der Quarterback der Titans gewesen wäre und damit ständig genug zu tun hatte, seinen Adoniskörper für die Spiele zu stählen und vor allem dafür auch nur zu trainieren. Er lebte für den Football, auch eine Sache, die Adriana nie verstanden hatte und noch weniger akzeptieren wollte.

Claire ließ ihn ein und nahm ihm sogar seine Jacke ab, als Xander auch schon auf ihn zu kam, ihn breit angrinste „Ole! Na, hat Adriana Dich endlich mal von der Leine gelassen oder kommt das Weib auch gleich um die Ecke?“ Olivers Blick wurde mehr als dunkel und er bereute schon jetzt, dass er überhaupt gekommen war. „Wir sind nicht mehr zusammen…“ – „Ey man, das Beste, was Du machen konntest.“
Niemand aus seinem Team mochte Adriana und noch weniger, wie sie mit dem Star der Titans rum gesprungen war. Er konnte es verstehen, verstand er sich doch selber nicht, dass er das alles zugelassen hatte. Nun aber war es vorbei und dieses Mal endgültig! Mit Schaudern dachte er daran, wie Adriana meinte, er würde diesen Schritt noch bereuen.
Xander lotste ihn auf die Terrasse, wo die Party mittlerweile schon im vollen Gange war. Alle Teamkameraden waren da, ein paar waren bereits im Pool, andere standen oder saßen herum, unterhielten sich oder machten bereits mit den anwesenden Frauen rum. Billy bekam gerade einen eindeutigen Anpfiff von Marie-Ann, wohl weil er mal wieder fremd geflirtet hatte und seine Frau das gar nicht gerne sah. Auch Sean Morrison war anwesend, der Coach des Teams, welcher sich mit einer Frau unterhielt, die Oliver noch nie auf einer ihrer Feten gesehen hatte.
„Seht mal, wer doch noch aufgetaucht ist! Unser Sternchen!!“ Die Gespräche wurden aufgrund dieser Ansage unterbrochen und alle wandten sich dem Neuankömmling zu. Auch die fremde Frau, welche scheu lächelte. In diesem Moment fühlte Oliver einen Stich tief in sich, ein Ziehen in seinem Herzen, was er so noch nie kannte. Er wollte diese Frau haben und mit seinem Leben vor allem, was ihr Angst machte, beschützen.
Sie war groß, nicht so groß, wie die Footballspieler um sie herum, aber groß. Dazu noch schlank, aber kein Modeltyp, man sah ihr an, dass sie immer wieder mit der Figur zu kämpfen hatte. Trotzdem war sie auf ihre eigene Art sexy und anziehend. Er schätzte sie auf Anfang Zwanzig vom Alter her. Ihr Gesicht war mit kleinen Sommersprossen übersät und ihre krausen, schulterlangen Haare hatten eine solch rote Farbe, dass sie ihn unweigerlich ans Feuer erinnerten. Dazu kamen noch diese blauen Augen, groß, hilflos und aber mit dem gewissen Etwas. Sie zuckte zusammen, als die Jungs los grölten um ihn zu begrüßen, sichtlich diesen Lärm nicht gewohnt. Und allein dafür hätte Oliver in diesem Moment das gesamte Team verprügeln und rausschmeißen können. Sie machten ihr Angst, was er anzusehen nicht ertrug. Und das, wo sie doch eigentlich nicht mal seinem Beutschema entsprach.
„Lass lieber die Finger vom Phinchen. Sie ist mit dem Coach hier.“ Xanders Stimme war leise an seinem Ohr und Oliver hatte Mühe den Blick von der Rothaarigen los zu reißen. „Phinchen?“ Fragend sah er seinen Kumpel an und zog die Augenbraue hoch.
„Ja, sie heißt eigentlich Josephine, aber weil sie so niedlich ängstlich aussieht, hat Terence sie Phinchen getauft und scheinbar reagiert sie sogar darauf. Frag mich nicht. Sie hat was, aber wie gesagt, Finger weg, sie ist mit dem Coach hier und doch gar nicht Dein Typ.“
„Nein… nein, ist sie wohl nicht.“ Oliver war verwirrt. Xander hatte Recht, sie war nicht sein Typ und trotzdem sah er wieder zu ihr rüber, sah, wie sie sich dem Coach zuwandte und dieser seine Hand auf ihren Rücken legte. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, aber es schien nicht unbedingt glücklich zu sein. Wäre er anstelle von Morrison, er würde sie nehmen und einfach gehen, damit sie wieder glücklich war. Hier, zwischen all den großen Jungs fühlte sie sich nur fehl am Platz. Aber Morrison hatte noch nie eine solche Feinfühligkeit an den Tag gelegt.
Terence kam auf ihn zu, mit einem Bier in der Hand, welches gleich darauf Olivers war „Ich seh‘, Du hast den Neuzugang bemerkt. Sie ist niedlich… auf ihre Art und hat vor allem Witz. Vorhin hatte Billy mal wieder ’nen obszönen Witz aufgrund ihrer roten Haare gemacht und ehe Marie-Ann reagieren konnte, hat die Kleine auch schon gekontert und alle zum Lachen gebracht. Nur der Coach, der fand’s reichlich unlustig.“
Oliver grinste, denn eigentlich war es nicht einfach, Billys Sprüche für sich umzuwandeln, vor allem als Frau. Dann aber begann Xander mit dem letzten Spiel anzufangen und ehe er es sich versah, befand er sich auch schon mitten in einer Diskussion, wie und wem er den Ball hätte abgeben sollen.

„Oliver, hast Du mal kurz ein paar Minuten?“ Coach Morrison unterbrach das Gespräch der Jungs und alle drei hoben die Köpfe. Olivers Blick blieb für einen Moment auf blauen Augen hängen, die ihn ansahen. Er konnte erkennen, dass darin ein bisschen Grau war, sogar Grün glaubte er zu sehen. Mit Mühe riss er sich los, sah den Coach an, dessen Blick sich eindeutig verhärtet hatte und dessen Arm sich besitzergreifend um die Frau an seiner Seite legte. Nur dass sie dieses nicht erwiderte, sondern weiter unverwandt Oliver ansah.
„Klar, Coach! Was’n los?“ Oliver versuchte alles, um nicht die Begleitung des Coachs anstarren, anzusehen, was ihm verflucht schwer fiel. Er nahm einen zarten Geruch von Vanille war. Und in seinem Kopf kreiste die Frage, ob sie genau danach schmeckte. Ihre Lippen, ihr Körper, ihre Nässe. Unwillkürlich trat er einen kleinen Schritt von ihr weg, um dem Geruch wenigstens etwas zu entgehen. Wilder Honig… Er hatte früher oft welchen gegessen und in ihrer Nähe musste er jetzt genau daran denken. An die Süße von wildem Honig in seinem Mund, wenn er seine Zunge in ihre Hitze schob, darauf aus, sie zu erkunden, zum Stöhnen zu bringen…
Bullshit! Hör auf, sie gehört zum Coach!
Und genau dieser fing damit an, dass er beim letzten Spiel Mist gebaut hatte und dass ihm klar war, woran es lag. Adriana. Musste dieser Vollidiot ausgerechnet vor Josephine mit ihr anfangen? Er bekam ziemlich was zu hören, ehe er knurrte „Ist gut, Coach… es ist vorbei. Endgültig.“ Und Oliver wusste jetzt, dass es stimmte, denn für ihn gab es eine neue Frau. Egal ob sie ihm gehörte oder nicht. Er würde warten, bis sie frei war und alles tun, damit sie das für ihn sein wollte. Er hatte Zeit. Er würde sie sich nehmen und auf seine Chance warten.
„Ich will’s Dir geraten haben, Ole, ich hab keinen Bock mehr auf diese Allüren! Dieses Weib zerstört nur das Team.“ Oliver schluckte aufgrund der Worte und senkte den Blick. Als er wieder aufsah, sah er direkt in Josephines Gesicht, die ihn anlächelte, ihr Gesicht zu Morrison hob und leise lachte „Ach komm, Frauen sind generell die Zerstörer sämtlicher Männerteams. Egal ob Freundschaften oder sonst was. Ist sie denn so ein Monster?“ Der Klang ihrer Stimme ließ Schauer über seinen Rücken jagen und für ihn klang es fast schon nach der Ankündigung von Sex. Er wollte sie! Er wollte sie dringend und vor allem wollte er, dass sie nicht mit Sean in die Kiste sprang.
Und so hörte er sich selber erwidern „Ja, sie war und ist so ein Monster. Ich hab bei ihr richtig Mist gebaut, aber die nächste Frau…. Die wird die Richtige sein, das schwöre ich.“ Josephine wand den Kopf zu ihm und begegnete seinem Blick. Irgendwas darin ließ sie erröten, was er einfach nur unwiderstehlich fand.
Ein Handyklingeln zerriss den Moment und Josephine löste sich geschickt vom Coach, lächelte ihn entschuldigend an. „Ich muss da ran.“ Schon zog sie das Handy aus der Tasche und ging von den Männern weg.
„Lass die Finger von ihr, Oliver!“ Das Knurren des Coachs veranlasste den Quarterback zu ihm zu sehen und dies reichlich fragend. „Sie ist weder Deine Liga, noch für Dich zu haben! Kapiert? Verbrauch andere Frauen, aber nicht sie.“ – „Wer bestimmt darüber?“ – „Ich, Oliver! Ich warne Dich! Tust Du ihr weh, breche ich Dir sämtliche Knochen und schmeiß Dich aus der NFL!“
Oliver schnaubte „Angst eine Frau an mich zu verlieren, Coach? Droh mir besser nicht, DU bist nicht die NFL“ – „Das brauch ich nicht. Du wirst früh genug merken, dass sie nichts für Dich ist. Ich bin nicht die NFL, stimmt! Aber ich habe meine Kontakte dort und mit Deinen letzten Aktionen bist Du eh kein unbeschriebenes Blatt mehr.“ Damit ließ der Coach ihn stehen und ging nach drinnen, während Josephine noch immer abseits stand und telefonierte.
Oliver fluchte unterdrückt, denn der Coach hatte Recht. Er hatte seine Vorgeschichte und mit viel Pech konnte es wirklich sein Karriereaus bedeuten, wenn er sich auf Josephine einließ. Er sah sich nach Xander um, welcher aber gerade mit seiner Frau beschäftigt war und auch Terence hatte sich eines der Poolmädels gekrallt. So drehte der Quarterback alleine seine Runde, redete mit seinen Teamkollegen und versuchte nicht in Josephines Nähe zu kommen, auch wenn es verflucht schwer war. Dennoch behielt er sie im Blick und fragte sich, was nur mit ihm passiert war, dass er auf den ersten Blick bei einer Frau fast einen Ständer bekam, ohne dass da im Vorfeld was lief oder sie besonders auf- und erregend angezogen war. Aber Josephine heizte seinen Gedanken und seinem Blut ordentlich ein. Allein, wie sie da stand, den Kopf zur Seite gelegt, der Stimme am anderen Ende lauschend.

Sie war froh, von den Männern loskommen zu können. Die Blicke des Quarterbacks verwirrten sie nur unnötig und wenn sie ehrlich sein sollte, hatte sie sich noch nie so angezogen von einem Mann gefühlt, wie von Oliver Bakster. Allein die Präsenz, die er ausgestrahlt hatte, als er einfach nur da stand, war zu viel für sie gewesen und wie er sie angesehen hatte. Als hätte er sie dabei gleichzeitig ausgezogen und geliebt.
Seine Augen hatten sie an Kaffee erinnert. An die erste Tasse Kaffee des Tages. Sinne weckend, verführend, zum Genießen und seine Stimme war die einer Raubkatze, schmeichelnd, schnurrend. Gott, sie hätte sich sofort hingeben können.
Ein Schauer lief ihr über den Rücken, während sie der Frau am anderen Ende zuhörte und leise seufzte „Ich komm, Mom. Bin gleich da. Gib mir eine viertel Stunde. Rühr Dich nicht vom Fleck und vor allem… krieg keine Panik. Bitte, hörst Du? Ja, ich bin gleich bei Dir. “ Josephine klappte das Handy zusammen und rieb sich für einen Moment die Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger, ehe sie sich nach Sean umsah. Doch dieser war verschwunden und sie konnte sich denken warum. Seine Begleitung hatte mit seinem Quarterback vor seinen Augen geflirtet. Das hätte ihr auch gestunken, egal ob Partner oder nicht. Sicher, Sean und sie hatten es auch schon versucht. Eine Partnerschaft. Aber es war nicht gegangen, denn sie waren viel zu unterschiedlich und vor allem sie hatte das Gefühl, ihm eigentlich nur einen Gefallen dabei zu tun. Sie wusste, dass Sean auch jetzt noch immer was für sie empfand und sie mitgenommen hatte, damit sie einmal rauskommt. Aber trotzdem, noch einmal würde sie das Experiment Football und so nicht wagen. Dafür gingen die Vorlieben zu weit auseinander.
Sie sah wieder auf die Uhr und seufzte erneut. Gut, dann würde sie sich ein Taxi nehmen, sobald sie hier raus war.

Gerade wollte sie die Terrasse verlassen, als sie auch schon Billy dröhnen hörte „He, Phinchen! Bist Du eigentlich gut zu vögeln?“ Seine Frau keifte sofort los, doch Josephine drehte sich sehr ruhig um, sah den bärigen Mann schweigend an, ehe sie lächelte „Sicherlich, Billy. Ich hab ein Herz für Tiere. Hätte ich es nicht, hätte ich längst Dir den Gnadenschuss verpasst.“ Damit verließ sie die Terrasse endgültig und hörte hinter sich das Gelächter der Titans und Billys ständige Frage, wie die rothaarige Hexe das nun gemeint hätte.
Sie suchte gar nicht erst im Haus nach Sean, sondern nahm einfach ihre Jacke, griff nach Tasche und öffnete die Haustür.
„Kann ich Sie mitnehmen?“
Die Stimme ließ Schauer über ihren Rücken laufen und sie atmete tief ein. Ohne sich umzuwenden, wusste sie sofort, wer hinter ihr stand. Warum klang diese Frage fast schon wie ‚Kann ich Dich behalten?’?
Langsam wand sich Josephine um und sah den Quarterback an. Ihre Augen versanken wieder im Kaffeebraun seines Blickes, während das Atmen ihr erneut schwer fiel. „Wohin?“ Ihre Stimme war sehr leise, um die eigene Angespanntheit zu verbergen. Oliver schien zu zögern, sichtlich seine Antwort überlegen. Warum nur erhärtete sich bei ihr gerade der Eindruck, dass seine Antwort unter anderen Umständen gelautet hätte ‚Zu mir’?
Aber sie war nicht sein Typ, das wusste Josephine. Sie war alles, aber nicht der typische Frauenschlag von Oliver Bakster, welcher mehr auf Modeltypen stand und dessen letzte Beziehung ihm fast die Karriere gekostet hätte. Sie las schließlich Zeitung und war, wenn auch unfreiwillig über ihn informiert. Zumal… sie könnte ihm auch seine Karriere kosten, schon allein deswegen, sollte sie das Thema gar nicht erst unnötig vertiefen. Das wäre nur ungesund für alle Parteien.
„Na, dahin, wo Sie hin müssen. Sie scheinen in Eile zu sein und ich hab ehrlich gesagt keinen Bock mehr auf Party.“ Er lächelte sie an, fast schon bittend, dass sie auch ja nicht Nein sagte und Josephine lächelte schief „Es wäre lieb. Ich weiß nicht, wo Sean ist und muss wirklich dringend nach Hause. Dort ist ein Notfall eingetreten.“

Galant wurde ihr von Oliver die Tür geöffnet, beim Rausgehen war ihr jedoch, als hätte sie Sean gesehen, der ihr nachdenklich zugesehen hatte und neben ihm die Frau von Xander, Claire. Beide schienen mit der Situation nicht wirklich glücklich. Doch Josephine musste nach Hause, so dass sie ihr dieses Mal die Meinung Seans egal war, auch wenn sie sonst viel Wert darauf legte.
Oliver brachte sie zu seinem Auto, einem Aston Martin. Sie hatte nichts für diese Art von Auto übrig und musterte das niedrige Ding schweigend, aber auch sehr eindeutig, ehe sie einstieg. Jedoch ohne sich von ihm erneut die Tür öffnen zu lassen. Nein, sie wollte mit aller Macht ihre Eigenständigkeit jetzt bewahren, bevor sie am Ende doch noch den Kopf verlor bei diesem Mann. Sie sah ihm an, dass sie ihn damit gekränkt hatte, scheinbar war er noch einer der alten Gentlemans, doch ließ sich Oliver nichts davon anmerken. Sie sagte ihm, wo sie wohnte und er fuhr los.
Ihre Gedanken waren bereits vorausgeeilt und zu Hause, dabei, wie sie wohl dieses Mal die Situation vorfinden würde. Sie machte sich Vorwürfe, dass sie sich auf diesen Abend überhaupt hatte eingelassen.
„Ist alles in Ordnung?“ Olivers Stimme riss sie aus den Gedanken und sie warf ihm einen Seitenblick zu. Scheinbar hatte er sie beobachtet und so ihr Mienenspiel deutlich erkannt. „Ja… nein, aber es geht schon, danke.“ – „Wenn ich Ihnen helfen…“ – „Sie helfen mir schon, in dem Sie mich nach Hause fahren.“ Josephine wusste, dass sie unhöflich war, doch sie wollte nicht länger als nötig mit diesem Mann auf engem Raum zusammen sein. Wieder breitete sich Schweigen aus und als sie einen erneuten Seitenblick zu Oliver warf, konnte sie sehen, dass das Lächeln von seinen Lippen verschwunden war und er nun angestrengt wirkte.
Sofort bereute sie ihre Härte und senkte verlegen den Blick „Es tut mir leid, Mister Bakster, aber… Sie können mir nicht helfen.“ Wieder war ihre Stimme leise, allein um die eigene Anspannung nicht zu verraten. Doch von ihrem Mitfahrer kam nur ein geknurrtes „Schon gut. Tut mir leid. Ich wollte mich nicht aufdrängen.“
Josephine lächelte „Nein, Sie haben sich nicht aufgedrängt, im Gegenteil. Es war sehr freundlich, dass Sie überhaupt gefragt haben. Die meisten… tun das eher nicht.“ Sie sah wieder zu ihm und begegnete seinem neugierigen Blick, hielt ihm stand, ehe sie leise lachte „Das Auto kennt die Richtung nicht von alleine, Sie sollten schon auf die Strasse schauen.“ Oliver grinste amüsiert, sah aber wirklich wieder brav nach vorne. „Ich wurde halt zur Höflichkeit erzogen.“ – „Traut man einem Quarterback gar nicht zu.“ Sie mochte sein Grinsen, beschloss sie für sich. Wirklich, es gefiel ihr.

Nun lachte er. Es schien direkt aus seinem Herzen zu kommen, war ansteckend und richtig angenehm zu hören. „So? Was traut man ihm dann zu?“
Josephine überlegte kurz „Rüpelhaftes Benehmen, Frechheiten, Lausbubenstreiche und ständig neue Frauen im Arm.“ Sie kicherte, zumal aus seinem Lachen ein Glucksen wurde „Ah so? Und woher wollen Sie wissen, dass ich nicht genau so bin?“ Nun feixte sie „Das Rüpelhaft scheidet aus, sonst würden Sie mich nicht nach Hause fahren.“ – „Vielleicht ist das nur Taktik um Sie zu täuschen, Feuerköpfchen.“
Nun wurde Josephine rot und sah ihn von der Seite her an. „Scheint so, denn frech sind Sie wirklich. Übrigens, dort vorne wohne ich.“ Sie deutete auf das alte, verwitterte Haus, in dem sie groß geworden war. Oliver hielt direkt davor und sah sich das Haus kurz an, ehe er zu ihr sah. „Wirkt wie eines dieser Häuser in denen die alten Hexen hausen.“ – „Tja, ich bin zwar nicht alt, aber ansonsten würde ich schon aufpassen, wenn ich Sie wäre. So jemanden wie Sie, der ist sonst mein Frühstück.“ Sie lächelte, aber dieses Mal erreichte es nicht ihre Augen, denn sie gruselte sich selber vor dem Haus. Schlimmer noch, die Tatsache, was dort drinnen war, machte ihr das Leben einfach zur Hölle.
Schon schnallte sie sich ab und versuchte die Tür zu öffnen, doch leider hakte diese. Oliver lächelte „Warten Sie“, und beugte sich an ihr vorbei, öffnete die Tür. Für einen Moment verharrte er mit seinem Gesicht direkt vor ihrem und sie konnte seinen Geruch wahrnehmen. Sauber roch er, frisch geduscht und vor allem nach Mann. Wie lange hatte sie diesen Geruch nicht mehr für sich gehabt? „Sehen wir uns wieder?“ – „Ich… ich weiß nicht.“
Josephine sah ihn unverwandt an, vollkommen gebannt und sie wünschte sich wirklich, dass sie sich wieder sehen könnten. Er nahm sie gefangen, nahm ihre Sinne in Beschlag und aus dem ‚Ich weiß nicht’ sollte gerade ein ‚Doch, ja’ werden, als ihr bewusst wurde, worin das hier enden könnte, in welche Schwierigkeiten er, aber auch sie kommen könnten und schnell kletterte sie aus dem Auto, fast fluchtartig. „Danke, Mr. Bakster. Sie sind wirklich ein netter Quarterback. Viel Glück beim nächsten Spiel und… Danke.“ Damit raffte sie ihre Sachen zusammen, schloss die Tür und eilte zur Haustür, ließ einen nachdenklichen Oliver zurück, der nicht so recht wusste, was er von der Sache halten sollte. Sie hatte ihn abblitzen lassen und dieses Gefühl kannte ein Oliver Bakster nicht.

„Mom? Mom! Ich bin zu Hause!“ Josephine warf ihre Sachen auf den Tisch neben der Tür, nachdem sie diese sorgfältig geschlossen hatte. Sie eilte durch den Flur, warf einen Blick ins Wohnzimmer und rümpfte sofort die Nase. Leere Flaschen standen auf dem Tisch, Gläser, es roch nach Zigaretten und billigem Parfüm. Das hat sie doch wohl nicht…
Ein Kinderheulen ließ sie hoch schrecken und schnell lief Josephine die Treppe hinauf in den ersten Stock, zum Kinderzimmer. Schon beim Hochlaufen hörte sie die lallende Stimme ihrer Mutter „Nun hör doch auf zu flennen! Deine Missgeburt von einer Mutter ist doch gleich da. Wie kann die kleine Hure nur glauben, ich könnte auf so’n verzogenes Gör aufpassen. Du hast mir mein Date ruiniert, kleine Mistmade!“ Paula Lukas war also wieder betrunken!
„Lass Sue in Ruhe, Mom! Ich bin da!“ Die junge Frau drängte sich an der betrunkenen Älteren vorbei und holte ihre vierjährige Tochter aus dem Bett, schloss sie schützend in die Arme. „Schschsch, mein Baby, Mommy ist da. Nicht mehr weinen, schschsch.“ Sie fühlte die Stirn der Kleinen und fluchte im nächsten Augenblick, denn Sue hatte Fieber und dies schien schon länger anzudauern. „Sie hat Fieber, Mom! Hast Du einen Arzt gerufen?“
„Bah! Scheiß auf die Ärzte, ich hab ihr die Medizin gegeben…aber das Gör will ja nicht schlafen! Genauso verzogen wie Du! Die wird später auch ne kleine Hure werden!“ – „Hör auf, Mom! Was hast Du ihr gegeben?“ Dann fiel jedoch ihr Blick auf den kleinen Nachttisch und Panik machte sich in ihr breit. „Mom! Willst Du sie vergiften? Spinnst Du?“ – „Was’n? Das hat Dir als Kind doch auch nicht geschadet, Jose! Sei nicht so albern.“
Zornig sah Josephine ihre Mutter an, ehe sie sich die Decke und den kleinen Esel ihrer Tochter schnappte und nach unten lief. Sie suchte nach dem Telefon und rief den Krankenwagen an, bemühte sich sehr, ruhig dabei zu bleiben, nicht in Panik zu verfallen. Im Hintergrund hörte sie, wie ihre Mutter am Zetern war, was für eine undankbare Tochter sie doch war. Sie wusste es selber. Undankbar, gemein und hinterhältig. Sie hatte sich schwängern lassen, hatte ihrer Mutter die letzten Dollar gekostet und war jetzt dafür zuständig, dass es ihr gut ging. Sie wusste es und sie opferte ihr eigenes Leben dafür, um diese Sünden gut zu machen. Hatte sie heute Abend wirklich davon kurz geträumt in den Armen eines Mannes wie Oliver Bakster zu landen? Die Seifenblase des Traumes zerplatzte, während sie ihre weinende Tochter hielt, auf den Krankenwagen wartete und dabei von ihrer Mutter beschimpft wurde.
In ihrer Not wusste sie sich auch nicht weiter zu helfen, als bei Sean anzurufen, denn sie wollte nicht alleine sein. Und ihre Mutter ertrug sie ehrlich gesagt nicht um sich herum. „Sean? Sean, es ist Sue! Sie ist krank und Mom hat ihr von ihrem eigenen Hustensaft gegeben. Sean, hilf mir. Bitte!“ Und auf den Coach der Titans war Verlass, denn er versprach sofort zu kommen und wenn’s ins Krankenhaus war.

Eine Stunde später saß sie auf einem der weiß gestrichenen Flure des Krankenhauses und starrte vor sich hin. Sue hatte sich im Krankenwagen mehrmals übergeben und es stand nicht gut um sie. Josephine wiegte sich vor und zurück, die Füße zu sich auf den Stuhl gezogen.
Wie konnte ihre Mutter ihr das nur antun? Sie selbst hatte als Kind bereits eine Alkoholvergiftung gehabt und nun wiederholte sich das Ganze erneut? Es war so unfair. So unglaublich unfair. Wütend wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht, schluchzte erneut auf. Dann sah sie die vertraute Gestalt von Sean Morrison und sprang auf. Sie lief ihm entgegen und verkroch sich an seiner breiten Brust, während er sie einfach nur hielt, ihr den Rücken tätschelte. „Ist schon gut, Josie… Ist gut. Das wird wieder, hm? Sue wird bestimmt bald wieder gesund.“
Doch der Coach sollte nicht Recht behalten, denn der Zustand der Vierjährigen verschlechterte sich innerhalb von Tagen und Josephine kam nur noch selten nach Hause zum Schlafen oder Essen. Sie war hauptsächlich im Krankenhaus und hier am Bett ihrer Tochter.

Sue war bereits zwei Wochen im Krankenhaus, als sie Oliver zufällig beim Einkaufen traf.
Nun, was hieß da einkaufen. Josephine ging eher durch die Regale, packte ein, ohne wirklich zu sehen, was sie einpackte. Sie kaufte Essen für ihre Mutter, denn diese lag wieder volltrunken auf dem Sofa und hatte sie nur der Unfähigkeit beschimpft. Keine Beziehung, keine feste Arbeit, kein Leben.
Und Josephine hatte sich den Schuh sofort angezogen. Sie war unfähig. Sie bekam doch nichts auf die Reihe. Selbst die Beziehung zu Sean war eher nur freundschaftlich, auch wenn er sie immer wieder dazu versuchte zu drängen, nachzugeben. Er zahlte sogar die Krankenhausrechnungen, so dass Josephine sich fast schon gezwungen sah, mehr zu investieren. Aber lieben tat sie ihn dabei nicht, egal wie zärtlich er war, wie liebevoll und fürsorglich. Sie gab sich ihm nicht hin, das nicht, aber sie ließ sich darauf ein, seine Küsse zu erwidern, seine Umarmungen und ließ auch zu, dass er sich als ihr Freund ausgab. Sie war es ihm doch schuldig. Aber für sie, für ihr Herz, war er ‚nur’ ein Freund nicht mehr, nicht weniger. Ihre Gedanken waren dafür viel zu oft bei Oliver. Doch wann immer sie Sean die letzten Tage darauf ansprach, auf seinen Quarterback, lenkte dieser ab oder aber strich ihr lächelnd über die Wange, meinte, dass Football doch nun nichts für Frauen sei. Selbst von den Spielen erzählte er ihr nicht mehr, denn dann müsste er ja auch von Oliver reden. Josephine hatte das Gefühl, das Sean alles tat, um dieses Thema ja zu vermeiden und ihre schlafenden Gefühle für den Quarterback nicht unnötig zu wecken.
Lieber fing er dann davon an zu erzählen, wie wunderschön sie war, oder was er alles mit ihr und Sue unternehmen wollte, wenn Sue erst einmal wieder gesund war. Dass er sie und Sue glücklich machen würde. Aber Sean sah nicht, wie unglücklich Josephine dabei war und wurde, er verwechselte weiter Freundschaft mit Liebe, ignorierte dabei das Leiden der rothaarigen Frau.
Vielleicht glaubte er sogar, dass der Schal, mit dem sie sich im Krankenhaus die Zeit vertrieb, für ihn bestimmt war. Er hatte die Farben der Titans, doch dachte sie dabei immer an den Quarterback und seine kaffeebraunen Augen.

Jetzt aber, da sie Oliver beim Obst stehen sah, kam alles wieder in ihr hoch. Der magische Moment bei der Party, die Erinnerung an seine Stimme, sein Lächeln. Ihr Herz fing wieder schneller an zu schlagen und ohne zu wollen, strich sie sich ihre krausen Haare zurück, war kurz davor noch einmal zu kontrollieren, wie sie aussah. Doch daran konnte sie jetzt eh nichts mehr ändern. Sie kam gerade aus der Klinik, hatte dort drei Stunden verbracht, aber wenigstens hatte sie ihre Hygiene nicht vernachlässigt oder aber ihre Kleidung.
Er selbst sah so verflucht gut aus, selbst mit dem Cappi auf dem Kopf und in der Bluejeans. Dagegen kam sie sich fast wie eine graue Maus vor, nichts sagend und klein.
Josephine zögerte, ehe sie sich zu ihm gesellte und sah, wie seine Hand von einer Apfelsorte zur anderen ging und er sehr kritisch drein sah. „Ich würde den Braeburn nehmen. Würzig, aromatisch, nicht zu süß, kräftig im Geschmack. Passt doch zu einem Quarterback wie Ihnen…“
Der Blick Olivers war es wert gewesen, denn er sah sie erst überrascht an, dann aber lachte er „Und woher willst Du wissen, wie ich schmecke?“ Er grinste sie breit an, betrachtete sie eingehend und wieder hatte Josephine das Gefühl, von ihm ausgezogen zu werden. „Du darfst aber gerne probieren, wenn Du möchtest, Feuerköpfchen.“
Schon beugte er sich vor, kam ihr näher und Josephine war wirklich kurz geneigt dem nachzugeben. Ihn zu küssen, das wäre einfach… Das geht nicht! Denk an Sue! Sean! Du schuldest ihm was für seine Hilfe
So schob sich ihre flache Hand zwischen seine und ihre Lippen und sie lächelte nur verschmitzt „So einfach ja nun nicht, Mr. Bakster…“ In seinen Augen tauchte kurze Enttäuschung, ja, wenn nicht sogar etwas wie Wut auf und doch küsste er die Hand, atmete dabei ihren Geruch ein „Ich bin Oliver, darauf hatten wir uns doch geeinigt, oder nicht?“
Sie zog ihre Hand zurück, von der sich ein angenehmes Kribbeln ausbreitete und im ganzen Körper verteilte. Seine Lippen waren so weich, so  angenehm gewesen. Aber ihre Hand roch bestimmt nach Desinfektionsmittel, als nach ihr selber. Oliver jedoch ließ sich nichts anmerken, vielleicht nahm er es auch gar nicht wahr.
Tief atmete sie durch, lächelte gleich darauf wieder. „Stimmt. Oliver.“ Seinen Namen auszusprechen war wie eine kleine Wohltat für sie. Ein Lächeln huschte dabei über ihre Lippen, doch schnell lenkte sie davon ab „Würdest Du mir bitte von den Bananen ein Dreierbündel geben? Du stehst gerade näher dran als ich.“ – „Meinst Du wirklich, drei Stück reichen? Der Coach liebt Bananen.“ Zu spät sah Josephine den lauernden Blick, hörte sie die hintergründige Stimme dabei. Die Antwort von ihr kam zu schnell „Was schert es mich, ob Sean Bananen liebt oder nicht? Ich kaufe nicht für ihn ein.“
Er hatte sie getestet. Ganz einfach und sie war darauf sofort reingefallen. Sie war eine Idiotin! So viel war klar. Und in seinen Augen las sie so etwas wie stiller Triumph, wenn nicht gar Befriedigung. Warum?
„Nicht? Das überrascht mich aber.“ Er hob gespielt erstaunt den Kopf „Weiß Morrison das auch?“
Damit hatte sie nicht gerechnet und dementsprechend entsetzt sah sie ihn an. „Er hat… das aber nicht gesagt, oder?“ – „Na ja, so ähnlich.“ – „Was heißt hier so ähnlich, Oliver! Hat er wirklich behauptet, wir wären ein Paar? Ich…“ Ihre Stimme erstarb und sie sah unruhig auf die Bananen, die Oliver ihr hinhielt. Ihr Blick blieb auf seiner Hand hängen, dann nahm sie ihm die Bananen ab.
„Du?“ Er sah sie neugierig an und Josephine schüttelte den Kopf, lächelte dabei schief. „Nichts… Wir sind nicht zusammen. Zumindest… nicht so…“ Ihre Stimme wurde immer leiser und sie fuhr sich fahrig über die Stirn, strich sich eine Locke aus dem Gesicht.
Wieder sah sie zu ihm auf, jetzt wurde sie aber unsicher, denn sein Blick hatte sich verhärtet und das Braun wirkte nun schwarz. „Ach so?“ – „Ja, wir sind nur Freunde…“ – „…Die miteinander schlafen.“ Seine Stimme war leise, dunkel und Josephine starrte ihn nur groß an. „Wie… wie bitte?“ Sie griff nach ihrem Einkaufswagen, schwankte bedenklich und brauchte einen Moment, sich zu sammeln. „Nein! Es dreht sich nicht um Sex!“ Damit wand sie sich ab und sah zu, von ihm weg zu kommen.

Er fluchte leise, denn eigentlich war es ihm mehr rausgerutscht, als dass er wirklich klar nachgedacht hat. Er war eifersüchtig, das gab er auch gerne zu. Zumindest sich selbst gegenüber. Er wollte Josephine für sich und die Tatsache, dass der Coach in den letzten zwei Wochen immer wieder betonte, dass er zu ihr fuhr, hatte den Titans-Quarterback in die Annahme gebracht, dass sie wohl ein Paar waren.
Ihre Reaktion jetzt jedoch ließ eher darauf schließen, dass Morrison sie mit etwas anderem hielt, was wichtig für sie war. Sex war es nicht. Eine Beziehung auch nicht. Was war es dann? Nachdenklich sah er ihr nach, nur um gleich drauf sich seine Äpfel zu schnappen und ihr zu folgen. Bei den Milchprodukten holte er sie endlich ein und sah sie von der Seite her an „Es tut mir leid, Josephine. Wirklich. Es war mir rausgerutscht. Bin nun mal ein Footballspieler, wir denken in erster Linie an Sex…“
Er versuchte ihr damit ein Lächeln abzugewinnen, doch alles was er bekam war ein leises Schnauben und so seufzte er leise. „Es tut mir wirklich leid, Josephine. Bitte. Komm, ich… ich lad Dich zum Essen ein, als Entschädigung für meine Dämlichkeit.“ Wenigstens sah sie ihn nun an, doch dies sehr nachdenklich und überlegend, ehe sie den Kopf schüttelte „Nein, das ist lieb von Dir, aber ich hab keine Zeit um Essen zu gehen.“
„Dann bring ich das Essen zu Dir. Jeder muss schließlich essen, auch Du.“ Wieder lehnte sie ab und er grübelte nach. „Einen Kaffee! Jetzt, gleich! In dem Café auf der anderen Seite. Sag ja.“ Er schob sich vor ihren Einkaufswagen und bremste sie so aus. Josephine hob die Augenbraue, sah auf seine Hände, die den Wagen hielten, dann hinauf zu ihm. Sofort legte er einen bettelnden Blick auf, gepaart mit einem charmanten Lächeln. „Nur einen Kaffee. Nicht mehr! Ich frage auch nicht weiter nach Sean oder sonst irgendwas. Du bestimmst das Thema.“

Dann jedoch wurde er abgelenkt, denn ein kleiner Junge zupfte an seiner Hose und sah zu ihm auf. Sofort klappte sich Oliver auf dessen Größe runter, kniete vor ihm und strahlte den Bengel an. „Na, was kann ich für Dich tun.“ – „Krieg ich ein Autogramm, Sir? Sie sind mein Lieblingsspieler in der NFL. Weil Sie sind ja der Beste von allen! Wenn ich groß bin, dann will ich so werden, wie Sie, Sir!“ – „Bin ich? Na, das ist mir aber schon fast viel der Ehre. Dann werde ich mich also vor Dir in Acht nehmen müssen, wenn Du groß bist, hm?“ Er nahm den Zettel, den der Kleine ihm hinhielt und unterschrieb drauf, während der Junge ihm erzählte, wie toll seine Spiele fand und wie klasse er vor allem das letzte Spiel fand, weil das Touchdown von Mr. Bakster ja so toll war und das, wo doch noch drei andere Spieler auf ihn drauf sprangen.
Oliver verzog kurz das Gesicht. „Stimmt, war toll! Somit haben wir gewonnen. Aber weh tat es trotzdem.“ Er grinste, zwinkerte dem Kleinen zu. „Weißte was. Damit Du auch nicht vergisst, dass Du später mal gegen mich antrittst…“ Er nahm sein Cappi und setzte es dem Kleinen auf den Kopf. „Da, nimm.“
„Aber, Sir! Das ist die Original-Titans-Kappe! Nur für Spieler!!“ Oliver lachte „Stimmt und jetzt ist es Deine! Wenn Du gut bist, dann wirst Du auch eines Tages ein Titan!“
In diesem Moment kam eine junge Frau um die Ecke, welche sich suchend umsah „Walt? Walt! Du sollst doch nicht weglaufen!“ Der Junge rannte sofort auf sie zu und schwenkte voller Freude seine Kappe „Mommy, Mommy, guck mal! Eine Titanskappe! Hat mir Mr. Bakster geschenkt!!! Und ich hab sogar ein Autogramm, guck!“ Die Mutter sah auf ihren Sohn, ehe ihr Blick hochging und sie den NFL-Star erkannte. „Mr. Bakster, das… danke sehr.“
Er richtete sich grinsend auf „Nicht dafür. Sie haben einen tollen Sohn, Madam! Ich wette, der wird später ein ganz Großer. Die Titans können Nachwuchs immer brauchen.“ Er zwinkerte dem Kleinen zu, trat zur Seite, will sich Josephine zuwenden, als die Mutter des Kleinen überrascht einatmete „Josie! Dich hab ich ja schon seit Wochen nicht mehr gesehen. Wie geht es Paula und Sue? Ist Sue immer noch im Krankenhaus?“

Paula? Sue? Krankenhaus?
Er drehte sich Josephine zu, welche sichtlich blass geworden war und erst ihn ansah, dann zurück zu der Frau. Wieder fragte er sich, welches Geheimnis sie barg, dass sie so verstörte. Oder aber in seiner Gegenwart nicht sagen wollte. „Paula… geht es wie immer.“ Irrte sich Oliver, oder zitterte ihre Stimme bei dieser Aussage. Er beobachtete, wie ihre Hände den Griff des Einkaufswagen umspannten, sie sich selber anspannte. Ruhig trat er neben sie, legte seine Hand auf ihren Rücken und strich sanft darüber, störte sich nicht an dem irritierten Blick der anderen Frau.
Josephine entspannte sich wirklich, doch spürte er auch, wie sie zitterte, atmete ruhiger und Oliver nahm wieder ihren Geruch war. Jetzt wurde ihm auch bewusst, was ihn vorhin so gestört hatte, als er ihre Hand küsste. Sie hatte nach Desinfektionsmitteln gerochen, steril. „Sue ist noch immer in der Klinik… ihre Niere versagt immer wieder und…“ Wieder ging ein Zittern durch ihren Körper „Wir hoffen auf eine Nierenspende, aber die Liste ist lang und sie nicht an erster Stelle.“ – „Oh Gott, Josie, das tut mir so leid. Ich hoffe, die Kleine kommt schnell wieder auf die Beine und es findet sich ein Spender. Ich wünsch es mir für Dich.“
Oliver wurde hellhöriger, auch wenn er nicht aufhörte, Josephines Rücken zu streicheln, ihr ein Halt zu sein, so fing es in seinem Kopf an zu arbeiten. Sie hatte eine Tochter. War das der Grund, warum Sean sie als sein Eigentum ansah? War es sein Kind? Oder hatte er sie damit in der Hand? Tausende von Gedanken schossen dieser Art schossen Oliver durch den Kopf, während er seine Herzensdame ziemlich genau beobachtet, welche leise murmelte „Ja… da wünsche ich mir auch.“ Sie wand sich ab und die andere Frau lächelte nur entschuldigend, ehe sie sich aufmachte und ging, ihren Kleinen mit sich nehmend.

Zwischen Oliver und Josephine herrschte Schweigen. Er hoffte, ja, betete sogar, sie würde irgendwas zu dem Thema sagen, doch sie dagegen starrte nur auf ihre Finger und schien in Gedanken zu versinken. Sein Blick ging auf ihren Einkauf, ehe er sie wieder ansah. „Es ist nie schön, wenn ein Familienmitglied im Krankenhaus ist. Noch dazu das eigene Kind. Gibt es keine Möglichkeit sie hochzuziehen auf der Liste?“ Er ließ seine Hand wo sie war und betrachtete die roten krausen Locken, als sie den Kopf schüttelte. Langsam hob sie den Blick. Tränen schwammen in den blauen Augen und Oliver zog sie ohne ein weiteres Wort in seine Arme, hielt den bebenden Körper, während sie an seiner Brust schluchzte.
Immer wieder strich er über ihren Rücken, murmelte Worte des Trostes in ihr Ohr und fühlte sich gleichzeitig hilflos ihren Gefühlen ausgeliefert. Bei Adriana waren ihm die Tränen beständig egal gewesen, doch Josephines brachten ihn in einen Zustand, der verlangte ihr zu helfen. Es war ungewohnt für ihn, aber diese Frau sollte niemals wieder weinen! Das hatte sie nicht verdient.
Es fraß ihn innerlich auf, auch dass sie nichts weiter sagte. Als sie sich endlich wieder beruhigt hatte, sich gefangen hatte, war sie zumindest so höflich und entschuldigte sich für ihren kurzen Zusammenbruch. Oliver drang auch nicht weiter in sie ein, es reichte ihm, wenn sie verstand, dass er immer für sie da war.
„Könnten wir… gehen?“ Oliver nickte auf ihre Frage, schob den Einkaufswagen, hatte den Arm um sie gelegt und bezahlte ihre Einkäufe an der Kasse. Er wollte nicht, dass sie sich irgendwelchen Leuten stellen musste, so schottete er sie ab, gegen alles und jeden, brachte sie zum Auto, sah sie aufmerksam an. „Geht es? Komm, ich fahr Dich nach Hause.“ Josephine schüttelte den Kopf, lächelte schief. „Nein, ich komm schon klar. Ich fahr gleich in die Klinik zurück und bring die Einkäufe später nach Hause.“ – „So aufgelöst, wie Du bist, kannst Du nicht fahren, Feuerköpfchen, egal wie groß Du schon bist. Lass mich Dich fahren, mitkommen. Du bist doch nicht alleine.“ – „Aber wenn Sean…“
Sean. Seine Augen verdunkelten sich und er knurrte leise „Dann werde ich Sean sagen, dass er nichts zu melden hat, was Dich angeht! Komm, wir fahren mit meinem Auto.“
Widerwillig stieg sie ein und Oliver musste ungewollt drüber grinsen. Er schloss die Tür und fuhr sie zur Klinik, doch als er sich dran machte, mit auszusteigen, schüttelte Josephine den Kopf „Nein… bitte nicht.“ – „Mir ist egal, was Sean denkt…“ – „Du missverstehst das. Du kannst noch nicht mitkommen. Ich muss Sue erst auf Dich vorbereiten, bevor Du sie kennen lernen kannst, so denn Du willst. Fremde Männer machen ihr Angst.“ Sie legte ihre Hand auf seinen Arm und ein Kribbeln ging von dieser Stelle aus. Verblüfft sah er sie drein. „Ich darf sie kennen lernen?“ Und bevor Josephine es sich anders überlegte, beugte er sich zu ihr und küsste sie sanft auf die Lippen. „Dann werde ich warten.“
Er reichte ihr seine Karte, bevor sie ausstieg, lächelte sie an „Ruf mich an… ich hol Dich ab.“ Sie sah auf die Karte, ehe sie wieder aufschaute und lächelte „Versprochen.“ Damit verließ sie den Wagen und er sah ihr aufmerksam nach.
Sie hatte schnell nachgegeben. War es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Oliver wusste es nicht zu sagen, als er seinen Jeep wieder startete und den Krankenhausparkplatz verließ. Sie hatte nicht mal reagiert, dass er ein anderes Auto fuhr als beim ersten Mal.
Er grübelte darüber nach und übersah dabei den silberfarbenen Lexus, dessen Fahrer ihm nach sah und dann folgte.

Vereint

Gegenwart

Aus dem Augenwinkel sieht sie eine Bewegung und reißt mühsam den Blick von Oliver los. Sean, der ehemalige Coach der Titans, hat sich aus der Menge gelöst und kommt auf sie zu. Beatrix neben ihr atmet tief ein, scheint die Anspannung förmlich zu riechen. Fast will Josephine ihm sagen, dass er gehen soll, zurückweichen soll, denn nichts würde die Mäuler mehr dazu bringen, sich zu zerreißen, wenn ausgerechnet der angebliche Buhle ihres Mannes den ersten Schritt macht. Als ob sie Oliver je untreu gewesen ist.
Sean grinst sie an, strahlt fast schon und Josephine rechnet sich aus, wie viel Zeit sie hat, um doch noch zu fliehen, als ein Schatten auf sie fällt, eine Hand ihren Arm umschließt, nicht einmal wirklich sanft. Langsam hebt sie den Kopf und sieht in die kaffeebraunen, wütenden Augen von Oliver. Seine Stimme ist ein Grollen und doch beherrscht er sich im Angesicht der Presse. „Liebling, Du hättest Dich doch nicht her bemühen müssen…“ Und noch leiser zischt er drohend „Du überschätzt Dich, Weib!“
Gerade will er sich umwenden, als sich Beatrix ihm in den Weg stellt und Josephine ihren strafenden Blick fühlt, gleich darauf jedoch lächelt ihre Freundin Oliver richtig sanft an „Aber, aber… Du willst doch nicht für einen Skandal sorgen, in dem Du Deine Frau gleich wieder fort schleifst, wo sie schon mal da ist, hm? Und sie ihren Freunden vor enthalten?“
Josephine kann hören, wie Olivers Zähne knirschen und er knurre leise „Das hast Du eingefädelt, nicht wahr?“ Beatrix lächelt nur charmant, so dass sich Josephine gezwungen sieht, zu agieren. Ihre Hand legt sich auf seinen Arm und ihre Stimme ist leise, leise, weil die Vernunft es von ihr verlangt. Viel lieber hätte sie ihn angefleht, sie erklären zu lassen, sie hier weg zubringen. „Du tust mir weh, Oliver. Ja, es war ihre Idee, der große Auftritt… Es tut mir leid. Lass mich das hier durchziehen und dann werde ich gehen. Für immer. Ich lasse mich von Dir scheiden, Oliver…“
Im nächsten Moment zuckt sie jedoch zurück, denn Olivers Gesicht hat sich nur noch mehr verdunkelt und er sieht sie voller Zorn an „Scheidung, ja? Hast einen Neuen? Vergiss es, Josephine! Wo  sind die Kinder?“
„Bei… bei ihrer Großmutter.“ Ihre Stimme wird kleinlaut, während Angst in ihr hochsteigt. Oliver ist unberechenbar, wenn er zornig ist. Nicht, dass er ihr oder den Kindern etwas antun würde, aber jetzt gerade sah er doch ganz danach aus, als plane er, sie gleich hier und jetzt büssen zu lassen, „Du hast sie bei Deiner Mutter…“ – „Nein!“ Sie hebt die Hand und wird wieder ruhiger. „Bei Deiner Mutter. Aber Du wirst sie nicht sehen, sie sind übers Wochenende weggefahren.“ Um seine Lippen taucht ein zufriedener Zug auf „Übers Wochenende… Fein, Weibchen. Genug Zeit für Dich und mich…“ Josephine schluckt trocken, will ihre Hand zurückziehen. Doch Olivers Stimme hat ihren drohenden Klang nicht verloren „Leg die Hand wieder genau dort hin, Frau! Du wirst heute nicht einmal von meiner Seite weichen, Dein Hand sich nicht einmal von mir entfernen! Du hast Dich zurückgetraut, jetzt wirst Du auch als meine Frau hier bleiben! Kapisch?“
Josephine nickt, was bleibt ihr auch anderes übrig, zumal in diesem Moment Sean sie erreicht und freudig anstrahlt. Er gibt ihr ein Küsschen auf beide Wange, betrachtet sie eingehend „Josie, Du siehst ja wundervoll aus! Warum hat Ole nicht gesagt, dass Du wieder zurück bist? Wir haben uns am Anfang alle große Sorgen um Dich gemacht, aber Ole meinte, Du wärst krank und bräuchtest den Abstand nach allem, was passiert ist. Kein Wunder, Süße!“
Sie sieht überrascht zu Oliver, dessen Gesicht jedoch verschlossen ist und nicht einen Moment zeigt, was er wirklich denkt. Wieder geht ihr Blick zurück zu Sean, lächelnd und höflich „Ja… die Auszeit war dringend nötig.“ – „Na ja, aber fünf Jahre, ohne Lebensz…“
Oliver unterbricht ihn sehr abrupt „Wir sollten jetzt auch den anderen Hallo sagen, nicht wahr, Feuerköpfchen? Du sollst Dich nicht überanstrengen.“ Sie zuckt aufgrund ihres Spitznamens zusammen, sieht ihren Mann an, nickt gleich darauf „Sicher… Sean, es war schön, Dich wieder zu sehen.“ Sie lächelt den Coach an, nur um von Oliver mitgezogen zu werden.
Kaum sind sie aus jeglicher Hörweite, schaut sie ihn wieder an „Oliver, Krank? Das ist doch gelogen, warum hast Du nicht gesagt, dass ich… Dich verlassen habe?“ – „Um dann eine schlechte Presse zu haben? Vergiss es, Feuerköpfchen, ich hab Dir Deinen süßen Arsch damit gerettet, sei froh drum! Das hier ist Deine Familie, was meinst Du, wie die reagieren, wenn sie je erfahren, dass Du mich hast sitzen lassen?? Nach allem, was passiert ist? Richtig, Du bekämst nie wieder einen Fuß auf den Boden! Willst Du Ihnen nun die Enttäuschung nahe bringen? Machs, ich guck Dir beim Untergehen gerne zu.“
Josephine senkt betroffen den Kopf und murmelt „Nein… ich… nein.“ Sie sieht aus dem Augenwinkel, wie er richtig befriedigt lächelt, aber es ist eine bittere Befriedigung, die ihr weh tut, sie schmerzt.
Und so beißt sie die Zähne zusammen,  hält durch, lässt sich mit ihrem Mann fotografieren und beantwortet Fragen um Fragen, ist ganz die Frau von Oliver Bakster, nur nicht mehr so… fröhlich wie damals. Immer wieder spürt sie den prüfenden Blick von ihm auf sich lasten, aber auch andere, die genau schauen, wie es ihr geht.
Nach einer Stunde hat sie es endlich geschafft, sich von Oliver zu lösen und lässt sich unter dem Weidenbaum nieder, ruht sich dort aus. Beatrix ist längst in der Menge verschwunden, die Fotografen haben soweit Ruhe gegeben, bis auf einen, der dieses Bild noch unbedingt festhalten muss. Sie, fernab der Feier, einsam unter dem Baum.
Josephine weiß, dass Oliver sich nicht aus den Augen lässt, selbst wenn er sich gerade unterhält. Oft genug geht sein Blick zu ihr, prüfend und auch drohend, sobald sie zu lange gen Ausgang schaut. Warum lässt er sie nicht einfach gehen? Sie hat gelitten, mehr als genug.
„Was willst Du hier, Josephine? Warum bist Du nicht einfach weggeblieben?“ Überrascht sieht die junge Frau auf und begegnet dem kalten Blick von Claire Beding, die Frau von Xander. „Du hast doch gehört, warum…“ – „Red Dich nicht raus, ich kenn die Wahrheit, falls Du es vergessen hast. Also? Warum bist Du zurückgekommen?“ – „Weil ich nicht mit der Lüge länger leben konnte, Claire! Er hat ein Recht zu erfahren, warum ich gegangen bin.“
„Er war glücklich, Josephine! OHNE Dich und Deine Gören! Sieh ihn Dir jetzt an, jetzt ist er wieder ein emotionales Wrack, nicht zu gebrauchen. Ich hab nicht umsonst von Dir verlangt, dass Du gehst! Es sollte für die Titans das beste Jahr werden… aber DU hast alles ruiniert.“ Josephines Mund steht offen, unfähig überhaupt irgendwas zu ihrer Verteidigung zu sagen. Sie hat geglaubt, Claire wäre ihre eine Freundin gewesen, damals… aber scheinbar hat diese nur aufs Wohl des Teams geachtet.
Ihr Blick geht zu Oliver, doch dieser steht nicht mehr an seinem Platz und so rappelt sich Josephine auf. „Ich werde ihm die Wahrheit sagen, Claire! Auch mit Dir und Adriana! Diese Lüge fliegt endgültig auf!“
„Welche Lüge?“ Beide Frauen fahren herum und sehen Oliver lässig mit seinem Bier in der Hand neben der Weide stehen, alles strahlt Ruhe aus, bis auf sein Blick. Dieser zeigt deutlich, dass er schon länger da steht, wohl seit Claire zu ihr gekommen ist. „Claire, was hast Du mit dem Verschwinden meiner Frau zu tun?“ Drohend kommt er auf die dunkelhäutige Frau zu, welche sofort zurückweicht „Nichts! Sie ist aus eigenem Ermessen gegangen.“
Josephine schnappt nach Luft „Das ist nicht wahr, Claire!“, doch die andere Frau sieht sie giftig an „Warum bist Du nur nicht verreckt? Es wäre jetzt viel einfacher!“ Damit dreht sie sich um, läuft weg und Josephine selber steht wie erstarrt da, mit großen Augen und kann nicht glauben, was da gerade passiert ist.
Eine Hand legt sich auf ihre Schulter, gleitet ihren Rücken hinunter, streichelt sich den Weg um ihre Taille. „Komm, Feuerköpfchen, es wird Zeit, dass wir reden! WIRKLICH reden!“
Sie sieht zu Oliver auf, in seine kaffeebraunen Augen, welche nun eher nachdenklich als zornig wirken und nickt nur schwach „Reden…“ Er geht mit ihr durch den Rosenbogen zu seinem Auto und kurz lächelt sie, denn es ist immer noch der Jeep von damals, den er extra wegen ihr gekauft hatte, weil sie keine Aufreißerautos mag. Vorsichtig setzt er sie ins Auto, schließt die Tür, ehe er mit wenigen Schritten herum eilt, selber einsteigt und los fährt.
Sie ist schweigsam auf der Fahrt, hängt ihren Gedanken nach und achtet nicht darauf, wohin er fährt. Ihr allein ist gerade nur wichtig, dass sie von dort fort kommt, egal wie sehr sie sich seiner Nähe wieder unterschwellig bewusst wird. Ihr Daumen spielt mit ihrem Verlobungsring, den sie nie abgenommen hat. Genauso wenig wie ihren Ehering. Nie, in all den Jahren nicht. Ob er das überhaupt bemerkt hat, dass sich diese Ringe nach wie vor an ihren Fingern befinden, wo er sie einst auch hin gesteckt hat?

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