Dieses Land war kalt. Und das galt nicht nur den Temperaturen, die immer weiter herab sanken je mehr wir uns vom Sandland entfernten, sondern auch an den Menschen. Misstrauen, Abneigung und vor allem Angst lag den Menschen hier im Blut und ich verstand immer noch nicht, wie mein Onkel sich hier nur eine Frau suchen konnte, um mit ihr eine Tochter zu haben.
Nachdenklich starrte ich vor mich hin, während ich die Aufregung und auch die Neugier meiner Begleiter spürte. Sie waren gespannt auf jene, die wir holen sollten, um sie heim zu bringen. Jene, die an meiner Seite leben wollte. Hasur redete unaufhörlich von ihr, seinen Vorstellungen von ihr und davon, wie schön es war, endlich eine Schwester zu haben, die dann auch noch mit seinem besten Freund verheiratet sein würde. Ich wollte ihm nicht die Illusion rauben, auch wenn ich bezweifelte, dass diese Frau wirklich so warm und herzlich sein würde, wie wir es von daheim kannten.
Es war der Wille von Ęndim Haranķ jo Žeandru und meinen Eltern, dass ich seine Tochter heiraten würde, sobald er von ihrer Mutter von der Existenz erfuhr. Es gab einen Vertrag und nun war die Zeit, diesen auch einzulösen, zumal man sich aus der Verbindung sehr viel erhoffte. Schließlich war ich die rechte Hand des künftigen Herrschers.
„Wie weit müssen wir noch in dieses Land eindringen? Hasur, warum wird uns Deine Schwester nicht gebracht?“ Die Stimme Kiaras war missmutig und übellaunig, so dass ich den Kopf hob. Mein Bruder im Geiste lächelte sie aufmunternd an „Weil sie in einem hohen Stand geboren ist, da gehört sich das nicht. Außerdem wird sie als die Frau Ashamars ins Sandland heimkehren. Sei nicht so gereizt, Kiara, das steckt unsere Tiere an. Vielleicht findest Du ja hier ein neues Tier für Deine Sammlung oder ähnliches, hmm?“ Kiara knurrte nur leise und sah mich wütend an.
Ich konnte sie verstehen und gleichzeitig verstand ich nicht, warum sie überhaupt mitgekommen war. Sie hatte immer gewusst, dass ich einer anderen Frau versprochen war und dass unsere Zeit damit vorbei sein würde. Machte sie mich jetzt verantwortlich? Lang genug habe ich mich ihretwegen davor gedrückt, doch ein Mann braucht irgendwann eine Frau an seiner Seite, wenn er richtig regieren will und Kiara weiß, dass ich dieser Frau dann auch treu sein werde.
Außer sie stellt sich als Fehler heraus. Nun lächelte ich amüsiert. Vielleicht erhoffte sie sich genau das. Dass ich und diese Frau nicht zusammen passen würden und ich somit zu ihr zurückkehren würde.
Meine Gedanken wanderten, während ich mir versuchte ein Bild meiner künftigen Frau zu machen. Wie so oft stellte sich das Verlangen nach ihr als Erstes ein. Es war groß und stammte eindeutig von meinen Visionen. Dort hatte ich sie gespürt, geschmeckt und mich mit ihr vereint. Allein der Gedanke ließ meine Lenden wieder unter Anspannung leiden, wie so oft.
„Soll ich Dir Abhilfe schaffen, Asham?“ Für einen Moment musste ich hinter meinem Tuch schmunzeln, ehe ich den Kopf schüttelte „Nein, Kiara. Die Gesetze verbieten es und das weißt Du. Einzig meine künftige Frau kann mir diese Abhilfe nun geben, auch wenn ich mich gerne an Deine Biegsamkeit und Willigkeit erinnere. Aber bis zur Eheschließung muss ich keusch bleiben. “
Sie schnaubte empört und ich wusste genau, dass ihre grünen Augen funkelten. Leise knurrte sie „Ich werde Hasur wärmen, wenn Du nicht willst.“ Es klang wie eine Drohung, die mich jedoch eher zum Lachen brachte, da sie sich so weiblich aufführte und mich versuchte mit Eifersucht zu locken „Er wird sich freuen, sein Bett ist schon zu lange ungewärmt und sein Vater sucht händeringend ein Weib für ihn.“
„Du Karnak!“ Sie lenkte ihr Pferd von mir fort und ich sah ihr grinsend nach „Komisch, vor zwei Wochen nanntest Du mich noch anders…“ Wieder lachte ich auf, dieses Mal lauter und Hasur sah fragend zu mir, dann Kiara nach, ehe er verstehend grinste „Sie hat das Feuer der Eifersucht, Bruder. Du musst aufpassen.“ – „Oder einfach nur hoffen, dass sie einen Anderen findet, an dem sie ihre Krallen wetzen kann. Willst Du nicht?“ – „Nein, bloß nicht… Sie würde mich fressen bei lebendigem Leibe. Aber erst nach dem sie sich genommen hat von mir, was sie braucht um befriedigt zu sein.“ Hasur lachte, sah zu Kiara, welche jedoch sich nun mit Raque und Qwadi unterhielt und uns keines Blickes mehr würdigte.
Müde streckte ich mich auf meinem Pferd und spürte, wie die Knochen knackten und sich wieder an Ort und Stelle schoben. „Dir fehlt die Jagd, nicht wahr?“ Hasur klang besorgt, während ich mich nach den anderen umsah. „Jedem von uns fehlt die Jagd. Dir doch genauso wie uns, oder?“ – „Wird wirklich Zeit, dass wir ankommen und vielleicht etwas Ablenkung finden. Vater hat uns allen die Jagd verboten, während wir in Argatenon sind. Er vertraut Tamiras Ziehvater überhaupt nicht. Wenn er zu viel Einfluss auf seine Tochter hatte…“ – „Hat er nicht. Sie achtet ihn, aber er hasst sie wohl eher, als dass er sie liebt.“
Hasur sah mich überrascht an. „Du hast sie gesehen?“ – „Sie ist meine Zukunft, Bruder, natürlich sehe ich sie.“ – „Wie ist sie?“ Nun zuckte ich unbestimmt mit den Schultern, denn erzählen durfte ich ihm nichts von meiner Vorahnung. „Für Überraschungen gut.“ Leise murmelte ich diese Worte, während Hasur wieder ins Träumen geriet. Er hatte seine Schwester vermisst, auch wenn er sie nie gesehen hatte. Aber die Ahnung ihrer Anwesenheit war immer da und dies vom Tage ihrer Geburt an. Oftmals hatten wir damals noch erfahren, wie es ihr ging, denn ihre Mutter hatte unserem Anführer regelmäßig Nachrichten zukommen lassen. Über ihre Entwicklung, ihr Aussehen, über alles. Sogar kleine Porträts hatte Ęndim erhalten, doch vor fünf Jahren hörten diese Nachrichten plötzlich auf und der Anführer machte sich große Sorgen um seine Tochter. Er schickte Kalmar, um auf sie zu achten, dieser aber kehrte vor einer Woche zurück und die Nachrichten, die er brachte, veranlassten Ęndim die Hochzeitsplanungen vorzuziehen. Eigentlich hatte er Tamira genügend Zeit geben wollen, sich an mich, die Familie und auch die neue Umgebung zu gewöhnen. Nun, diese Zeit hatten wir einfach nicht mehr und letztendlich würde sie sich sicherlich damit arrangieren. Es ging schließlich um einen Erhalt der Art, der Abstammung und des Blutes Ęndims und seiner Vorfahren. Und so lange Hasur sich keine Frau gewählt hatte, war es wichtig, dass es anderweitige Erben gab.
Wir reisten noch eine Woche, ehe wir endlich Argatenon erreichten. Die Nerven unserer Leute waren zum Reißen zerspannt und ich konnte die Aufregung förmlich greifen. Immer wieder musste Hasur sie ermahnen, sie wieder unter Kontrolle bringen, so dass ich mich langsam fragte, ob wir erfahrene Krieger oder ein Rudel Welpen mit uns hatten.
Kiara selber hatte es sich zur Aufgabe gemacht, vor meinen Augen mit den Kriegern zu schäkern, ja sogar bei ihnen zu liegen. Sie tat mir leid und in mir stieg gleichzeitig das Gefühl von Abneigung hoch, jetzt, wo sie sich wie eine Hure benahm. Nur Hasur mied sie bei diesen Aktionen, wohl weil sie ahnte, dass er nicht mit sich spielen lassen würde und ich es nicht zulassen würde.
Vor uns lag das Anwesen Argatenon, welches mich faszinierte. Die dicken Mauern, die dunklen Farben. Es wirkte eher wie ein Gefängnis, denn wie eine gemütliche Behausung. Als wir durchs Tor ritten, hörte ich Kiara lachen „Wie unreinlich diese Fremdländer sind… da fühlen sich die Flöhe sicherlich wohl.“ Langsam drehte ich den Kopf zu ihr „Dann solltest Du auf Dich achten, denn bei dem Gestank wie der einer läufigen Hündin, werden sie gewiss sich ein gutes Hause einrichten.“
Die Tierbändigerin wurde hochrot und funkelte mich wütend an, doch ich sah wieder nach vorne, schloss zu Hasur auf. „Was hältst Du davon?“ – „Wovon? Von dieser Art zu leben?“ Fragend sah Hasur zu mir und schüttelte gleich darauf den Kopf „Hier würde ich nur unglücklich werden. Jeder von uns. Wie Vater sich hier wohl fühlen konnte, verstehe ich nicht.“