Oder auch: Ab wann ist Privat Privat?
Jeder von uns kennt das. Oder sollte ich eher sagen, die meisten?
Man befindet sich bei Job und Privatleben oft in einer merkwürdigen Grätsche. So verbringt man doch den Alltag mehr auf der Arbeit, als in der Freizeit und manchmal gibt es Dinge, die einen Privat so sehr mitnehmen, dass man sie im Job schwerlich ablegen kann oder Dinge aus dem Job, die man Privat nicht zur Seite gelegt bekommt.
Zu Kollegen entwickelt man im Glücksfall ein sehr gutes, manches Mal sogar ein freundschaftliches Verhältnis. Es ist kein Wunder, verbringt man mit den lieben Kollegen doch mehr Zeit im Jahr, als mit der eigenen Familie zu Hause. So teilt man oft Freud und Leid zusammen und redet auch über das, was privat zu anfällt, was einen belastet oder erfreut. Es ist ein Geben und Nehmen und die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben vermischen sich immer mehr.
Es bilden sich sogar manchmal Partnerschaften, Beziehungen auf der Arbeit. Wenn man der Statistik glauben kann, sind es 13% aller Beziehungen, die am Arbeitsplatz ihren Ursprung haben. (30% übrigens entstehen online) Damit ist die Mischung aus Beruf und Privat perfekt. Die Grenzen sind weg und man hat das Privatleben komplett in den Berufsalltag gebracht. Für manche funktioniert es, für andere jedoch geht es schief und dann leidet auch oft der Job darunter, schließlich muss man regelmässig den nun ungeliebten Menschen sehen.
Doch das wäre letztendlich das absolute Worst-Case-Szenario. Eher ist die Frage, ab wann wird es zu privat? Wann wird die soziale Intimsphäre, und ja, die gibt es in meinen Augen, überschritten und der Kollege wird zu neugierig, zu aufdringlich oder sorgt für Unbehagen?
Bei manchen Kollegen ist es schon die Frage nach dem Befinden, für andere, wenn der Kollege plötzlich vor der Tür steht.
Letzteres ist tatsächlich einer Freundin geschehen. Sie hatte sich immer sehr gut mit dem Kollegen verstanden, hatte mit ihm gescherzt, über manches Private durchaus gesprochen und haben auch für den Fall der Fälle ihre Nummern ausgetauscht. Schließlich ist er ihre Vertretung.
Doch in einer Sache war sie sich immer zu hundertprozentig sicher. Sie hatte ihm nie, aber wirklich nie Andeutungen gemacht, dass sie ein näheres Interesse an ihm hätte. Warum auch, sie selbst ist schon seit einigen Jahren glücklich vergeben.
Als wir jetzt am Wochenende miteinander sprachen, wirkte sie aber nicht mehr so frei und gelöst wie sonst, sondern macht sich eher Gedanken über ihren Job, ihr Privatleben und darüber, wie sie von anderen aufgefasst wird. Grund dafür war besagter Kollege.
Meine Freundin, nennen wir sie einfach mal Emilie, hatte sich krank melden müssen von der Arbeit und war bettlägerig für ein paar Tage. Ihr Freund war extra zu Hause geblieben, um sie zu pflegen. Drei Tage nach ihrer Krankmeldung klingelte es eines Abends plötzlich an der Tür. Ihr Freund öffnete die Tür und dort stand ein fremder Mann. Fremd für ihn verständlich.
Emilie musste sich aus dem Bett hochquälen, weil der Fremde darauf bestand, sie zu sehen und sich auch nicht von ihrem Freund wegschicken ließ. Also ging sie zur Tür und bekam den Schrecken ihres Lebens, denn vor der Tür stand ihr Kollege mit einem Blumenstrauß. Er wollte sie besuchen, da sie krank sei. Emilie war zu sprachlos, um auf den eigentlichen Grund ihres Schreckens zu kommen. Letztendlich schickte sie den Kollegen wieder weg, schließlich ging es ihr wirklich nicht gut, wobei sie darauf hinwies, dass er bitte von weiteren Besuchen absehen solle.
Nun würden einige denken: Warum ist sie so hartherzig? Das ist doch total nett von ihm?
Ja? Sicher, unter bestimmten Aspekten ist es nett.
Doch muss man eine Sache wissen: Emilie hat ihm nie ihre Adresse gegeben und sie steht auch nicht im Telefonbuch.
Nun wird es creepy, oder?
Vielleicht hat der Kollege es wirklich nur nett gemeint und sich Sorgen um seine sogenannte Lieblingskollegin gemacht. Doch hat er dabei eine unsichtbare, aber sehr starke Grenze überschritten und damit ein Vertrauensmissbrauch begangen. Die Zusammenarbeit der Beiden wird wohl eher schwerfallen und Emilie ist bereits am Überlegen, sich einen neuen Job zu suchen oder eine andere Stelle innerhalb des Unternehmens. Auf dem Posten, auf dem sie jetzt ist, möchte sie einfach nicht mehr bleiben.
Der Kollege übrigens konnte überhaupt nicht verstehen, warum sie so abweisend war und hält das für eine Phase, die auf zu viel Stress beruht.
Emilie hat sich auch geschworen, in Zukunft keinen Kollegen mehr so dicht an sich ran zu lassen und in Zukunft auf der Arbeit einen neutraleren Umgang zu pflegen, damit nicht noch einmal ein Kollege bei ihr auf der Tür steht oder es gar zu schlimmeren kommt.
Für sie ist der Job, den sie so geliebt hat, zu einem Ort geworden, an dem sie nicht mehr sein möchte.
Mich selbst hat der Vorfall von Emilie auch sehr nachdenklich gestimmt und ich habe darüber nachgedacht, wen ich persönlich zu sehr von meiner Arbeit in mein Privatleben gelassen habe oder lasse. Bewusst oder unbewusst.
Doch nicht nur das. Möchte ich, dass fremde Menschen meine privaten Bilder sehen?
Wo fängt für mich die Grenze an?
Sind manche Dinge, die ich als Scherz ansehe, wirklich ein Scherz? Oder wurde hier eigentlich schon die Grenze des guten Geschmacks übertreten?
Sind manche Fragen wirklich noch aus Interesse oder beinhalten sie mittlerweile schon Hintergründe, bei denen ich selber mich absolut nicht wohl fühle? Die meine Komfortzone absolut stören und mir das Gefühl geben, dass jemand zu sehr Interesse an meinem Privatleben hat?
Letztendlich sind diese Fälle durchaus schon aufgetreten, so dass ich am Ende tatsächlich begonnen habe, gewisse Bereiche in meinem Leben zu sperren und meine Arbeitskollegen dort auszuschließen, auch wenn ich bis jetzt immer recht freigiebig gewesen bin, was das angeht, hat mich der Fall meiner Freundin darauf gebracht, dass ich das eigentlich gar nicht möchte.
Ich möchte nicht, dass Kollegen mich auf Bilder oder meinen Status bei WhatsApp / Instagram ansprechen.
Ich möchte nicht, dass sie mit mir über Texte oder meine Hobbies reden, die sie bei weitem nichts angehen.
Würde ich das wollen, hätte ich von mir aus schon längst dieses Thema begonnen. Doch so wird etwas erzwungen, was ich nicht möchte.
Es ist meine Komfortzone und dringen diese Kollegen dort ein, egal wie sympathisch sie mir sind, fühle ich mich nicht mehr wohl und ich muss dieses Hobby, diese innere Freude aufgeben.
Privatleben und Arbeitsleben sollten sich nicht vermischen, sondern getrennt bleiben.
Es sind feine Grenzen des Anstandes, doch man sollte diese feinen Grenzen grundsätzlich einhalten.
Zusammen mit Emilie habe ich eine Liste der Dinge erarbeitet, die sie und ich als Privat erachten und die eindeutig und eindringlich respektiert werden sollten.
Achtung, im Text schreibe ich oft von „der Kollege“ männlich, gemeint sind jedoch Kollegen jedes Geschlechts (männlich, weiblich, diverse)
Um hier ein bisschen Korrektheit reinzubringen.
– Der WhatsApp Status :
Unser Tipp: Blockiert ihn für die Arbeitskollegen. Bilder vom Wochenende, von der letzten Familienfeier, der letzten Party und Co gehen im Endeffekt niemand wirklich was an. Vor allem nicht die Menschen, die ihr im Berufsleben zum Beispiel siezt. Oder die ihr wirklich nur im Berufsleben um euch haben wollt.
Geht dafür auf den Reiter ‚Status‘ und tippt auf die drei Punkte neben der Lupe (Androidversion)
Dort wählt ihr ‚Status-Datenschutz‘ auf und markiert den Punk „Meine Kontakte außer…“ ihr bekommt eure Kontaktliste von WhatsApp angezeigt und könnt nun alle diejenigen auswählen, mit denen ihr definitiv euren Status nicht teilen möchtet.
– Facebook:
Teilt eure Beiträge, eigentlich alles, was ihr auf Facebook so treibt am besten nur mit einer ausgewählten Freundesliste. Menschen, die ihr privat kennt und mit denen ihr privat zu tun haben möchtet. Vermeidet es, dabei zu öffentlich zu werden.
Betreibt ihr Seiten auf Facebook, die z.B. von eurem Hobby handeln und ihr möchtet nicht, dass Kollegen darauf Zugriff haben oder sich zu sehr dafür interessieren: Sperrt diese Kollegen für die Seite. Ihr könnt ihn auch für euren Account selber blocken, auch wenn das immer die unhöfliche Variante ist und man doch irgendwie versuchen möchte, im friedlichen Rahmen zu bleiben.
Sollte er oder sie euch trotzdem auf der Arbeit deswegen ansprechen, steht zu eurer Entscheidung und macht dem Kollegen freundlich aber bestimmt klar, dass er hier eine persönliche, private Grenze überschreitet.
– Instagram:
Einfachste Methode?
Setzt euren Account privat und nehmt Freundschaftsanfragen von Kollegen gar nicht erst an. Ganz einfach. Bei privaten Accounts hat derjenige keine Chance dann auf eure Bilder zuzugreifen.
Die etwas drastischere Methode wäre tatsächlich, wenn ihr euren Account nicht privat stellen wollt, dass ihr den Kollegen blockt. Dann kann er aber immer noch euren Account sehen, wenn er sich nicht einloggt und explizit nach euch sucht.
Sollte er oder sie das dann aber tun, hat das die Züge eines Stalkers. Daran ist kein höfliches Interesse mehr, sondern ein absolutes Eindringen in die Privatsphäre, die Grenzen überschreitet. Hier empfiehlt sich dann ein Gespräch mit dem Betriebsrat, sollte der Kollege dies nicht unterlassen und euch wiederholt drauf ansprechen.
– Twitter:
Auch hier ist die einfachste Methode, den Account vor der Öffentlichkeit privat zu stellen und bei Anfragen sehr gut abzuwägen, wem man den Zugriff erlaubt und wem nicht.
Ansonsten ist die drastische Methode ebenfalls: Blocken
Aber man muss damit rechnen, dass derjenige, den man blockt, dennoch Zugriff darauf erhält, sobald er nicht eingeloggt ist.
– Deutliches Abgrenzen von Themen:
Wenn das Gefühl aufkommt, es wird einem zu nahe getreten, dann macht es deutlich. Zieht eine deutliche Grenze um jene Bereiche, die eure Privatsphäre sind und macht eurem Kollegen klar, dass ihr zwar gerne euch mit ihm unterhaltet, aber er Grenzen überschreitet, wenn er nach bestimmten Themen fragt.
Letztendlich ist es euch selbst überlassen, WAS ihr auf der Arbeit erzählen möchtet und was nicht. Es ist euer Privatleben. Explizite Fragen danach beantwortet man oft aus Reflex oder aus Höflichkeit, während es diesen bestimmten Hauch von Unwohlsein hinterlässt.
Also lasst gar nicht erst zu, dass euch jemand so nahe kommen kann, sondern steckt euch selbst die „Bis hier hin und nicht weiter“-Grenze. Danach ist Schluss und das hat akzeptiert zu werden.
Zu diesen Fragen gehören z. Bsp. schon explizite Fragen nach bestimmten Familienmitgliedern. Ehrlich? Es geht niemanden was an, außer ihr selbst möchtet das.
Ebenso nach euren Hobbys, wenn ihr die noch nicht selber angesprochen habt. Sie gehören zu eurem Privatbereich. Es geht niemanden anderes etwas an, was für Seiten ihr privat betreibt, worüber ihr schreibt, was ihr denkt oder fühlt. Es ist eure Komfortzone und dort habt nur ihr was zu suchen.
Sollte ein Kollege darüber mit euch diskutieren wollen oder euch darauf ansprechen, sagt gleich ganz deutlich „Das ist Privat und gehört nicht hier her. Schon gar nicht als Thema zwischen Dir und mir.“
Sicherlich nutzen solche Kollegen, wie z.B. in Emilies Fall dann gerne das Argument: Dann darfst Du das nicht online stellen und der Öffentlichkeit zum Lesen geben.
Doch, dürft ihr! Denn das hat Eure private Person online gestellt und nicht die Person, die ihr im Endeffekt auf der Arbeit seid.
Der private Mensch ist ein anderer, als der, der er auf der Arbeit ist. Alles andere wäre ehrlich gesagt gelogen und derjenige, der was anderes behauptet, hätte dann keine Grenze zwischen Privat und Arbeitsleben. Ob das dann so gesund ist, ist fraglich.
Und fragt Euch selbst ganz ehrlich: Was ist das bitte für ein Interesse, wenn jemand jeden Schritt, den ihr im Internet und Co macht, verfolgt? Ist das gesund? Fühlt ihr euch wohl damit?
– Kontakt abbrechen
Egal wie nett der Kollege auch ist oder wie gut man sich mit ihm verstanden hat.
Wenn ihr merkt, dass er diese Grenzen immer wieder überschreitet und sich dabei auch noch im Recht sieht, brecht den Kontakt ab und geht zurück auf die neutrale Schiene. Es geht ihn nun mal nichts an, was euer Privatleben angeht. Kann er das nicht akzeptieren, muss er leider als guter Kollege weichen, denn alles andere kann euch auf der Arbeit ehrlich gesagt nur schaden oder zu Problemen führen.
Wie zum Beispiel jetzt in Emilies Fall.
Welche Konsequenzen hatte das Erzählte von Emilie nun für mich?
Als erstes hatte ich begonnen, meinen Status überall für bestimmte Bereiche und Menschen zu sperren.
Auch habe ich meine Facebookfreunde tatsächlich insoweit aufgeräumt, dass ich separate Listen erstellt habe und die Sicht auf meine Beiträge für gewisse Listen gesperrt habe.
Natürlich war das am Ende für mich nicht alles, sondern ich bin auch dabei gegangen und habe begonnen meinen privaten Instagramaccount aufzuräumen.
Ja, ich habe einen privaten Account, auf den im Endeffekt nur noch Menschen aus meinem privaten Umfeld Zugriff haben.
Es hat nichts damit zu tun, dass ich meine Kollegen nicht mag oder manchen Bekannten nicht sympathisch finde, sondern damit, dass ich einfach meine persönliche Komfortzone erhalten möchte. Und ich denke einfach, wer mich kennt, wirklich kennt, der wird es verstehen und sogar akzeptieren, dass es diese Grenze nun gibt.